Die Zunftstuben der Zunft Fluntern

Als Ort für das gesellige Zusammensein hat die Zunftstube eine lange Tradition, und für die heutigen Grossanlässe Sechseläuten und Martinimahl ist sie unerlässlich. Zünfte, die wie die Zunft Fluntern nicht über ein eigenes Zunfthaus verfügen, sind dafür gut schweizerisch zur Miete untergebracht. Sie müssen damit das Problem lösen, einen gemieteten Saal in kurzer Zeit für jeweils wenige Stunden in eine eigenständige Zunftstube zu verwandeln.

Von baulich bedingten, befristeten Übergangslösungen abgesehen (Restaurant Morgensonne beim Zoo, 1956 - 1958 und Restaurant Lakeside, 2002 - 2004 und Haus Metropol, ab 2017) hat sich die Zunft Fluntern seit ihrem Bestehen als sesshaft erwiesen und sich erst in zwei Lokalitäten eingemietet.

Plattengarten (1895 – 1956)

Das Restaurant Plattengarten war ein sehr besonderes Stück Fluntern. Das Wirtshaus, in dem die Zunft gegründet wurde, bedeutete ein quartierbezogenes Zuhause mit einer eigenen, langen und aussergewöhnlichen Geschichte. Ausser den zünftigen Zutaten wie Fahnen, Laternen, Zunftgeschirr und Blumen bedurfte es dank ausgesprochenem Lokalkolorit keiner besonderen Dekoration. In der ortsgegebenen Einrichtung fühlten sich die Fluntermer wohl und daheim. Eine zusätzliche Dekoration wäre möglicherweise ohnehin nicht zu sehen gewesen, weil die Zünfter zu jener Zeit ausgiebigem Stumpenrauchen frönten und dadurch das Lokal mit dicken Rauchschwaden einnebelten. Ihr lieb gewordenes Quartier im Quartier gaben die Fluntermer Zünfter notgedrungen nur deshalb auf, weil der Plattengarten in der Mitte des 20. Jahrhunderts dem markanten Neubau des Schwesternhochhauses weichen musste.

Bemerkenswertes zum Plattengarten:

Der berühmteste Waag-Zünfter, Johann Martin Usteri (1763 - 1827), hat sich und dem Plattengarten mit einem einzigen Lied etwas Unsterblichkeit verschafft: Sein Ohrwurm „Freut Euch des Lebens“, das in unzählige Sprachen übersetzt wurde, ist im Plattengarten erstmals überhaupt zum Besten gegeben worden. Ein weiteres Aperçu: Im Sommer 1893, vier Jahre vor dem Einzug der Fluntermer, fand in Zürich der II. Kongress der Sozialistischen Internationalen statt. Die radikalsten unter ihnen, die Anarchisten, trafen sich mehrmals im Plattengarten... Die historischen Quellen besagen, dass bis zu 500 Delegierte daran teilnahmen.

Vortragssaal im Kunsthausneubau (seit 1958)

Mit dem Bezug des Vortragsaales im Kunsthaus-Neubau am Martinimahl von 1958 verliess die Zunft ihr Quartier und ist seither mit ihrer Zunftstube am Pfauen näher bei der Innenstadt mit den Zunfthäusern der alten Zünfte. Mit dem Wechsel vom im Quartier verwurzelten Stammlokal in einen Bau der Moderne machte die Zunft einen mächtigen Schritt in eine neue Ära.

Die erste Dekoration, vom Architekten entworfen, war schlicht und sachlich. Zwischen den dominanten Kunststeinsäulen, die den neuen, grosszügigen Ausstellungsraum im Obergeschoss tragen, konnten für die zünftigen Feste Holzrahmen eingebaut werden, die Träger waren für streng hängende, gelbe Stoffbahnen. Mit diesen erhielt der nüchterne Saal zwar etwas Freundlichkeit und Intimität, allerdings in einer sehr zeitgenössischen, modernen Art. Gestalterisch passte die Dekoration ausgezeichnet zum Neubau. Als optisches Erlebnis aber war sie weit weg vom vertrauten, alten Plattengarten und vermochte deshalb die Herzen vieler Zünfter nicht zu erobern. Dass sie trotzdem während mancher Jahre Bestand hatte, war rigorosen Einschränkungen zuzuschreiben. Der neue Kulturbau war unantastbar, das galt für alle Einrichtungen, also auch für die zünftige Dekoration. Änderungen waren deshalb undiskutabel, auch nur ein einziges Loch zu bohren für eine zusätzliche Schraube war streng untersagt. Dank einem Verwalter, der dem Zunftwesen sehr zugetan war, kam die Zunft aber zu einem besonderen Schmuck ihrer neuen Zunftstube. Drei eindrückliche, markante Bilderskizzen von Ferdinand Hodler („Drei Aufrechte“), im Alltag leider lediglich Archivgut, prägen seit dem Einzug ins Kunsthaus mächtig und an dominanter Stelle vor dem Bühnenvorhang die Anwesenheit der Zunft.

Was der Dekoration aber fehlte, war, dass sie keinen Bezug nahm zur zünftigen Eigenart des neuen Untermieters. Zeugwart Robert Huber gelang 1983 eine Änderung. Er nutzte die vorhandene Einrichtung aus für ein neues Dekorationskonzept, wiederum mit Stoff-Paneelen, auf denen aber beinahe in Lebensgrösse Vertreter der Fluntermer Kostümgruppen und in prägnanten Wiederholungen das Zunftwappen aufgemalt waren. Jetzt war die Dekoration nicht mehr nur funktionell, sondern sie machte auch eine klare Aussage über die temporären Benutzer.

Mit dem 100 Jahr-Jubiläum der Zunft von 1995 wurde eine dritte, diesmal komplett neue Einrichtung unter inzwischen erleichterten Baubedingungen geschaffen. Seither ist die Zunft optisch wieder in Fluntern. Markante Häusergruppen aus dem alten Fluntern (der so genannte Gelbe Hof, das alte Kirchlein, der Vorderberg und das alte Klösterli St. Martin, gegründet 1127, abgebrochen 1522/1847) begrenzen als raumhohe Kulissen seither den Innenraum, seitlich eingerahmt von drapierten Vorhängen in den Zürcher Farben. Farbenfroh unterbrechen dazu die 26 Fahnen mit den Wappen der Zürcher Zünfte die strenge, funktionale Decke. Zusammen mit den Fahnen, Laternen, der bereits 1970 neu hinzugekommenen Wappentafel und einem stets eindrücklichen Blumenschmuck wird unverwechselbar kundgetan: Hier sind die Zünfter von Fluntern zu Hause. Sie sind dies gerne und ganz ohne Vorbehalt, einfach so, wie es ihre Vorgänger einst im Plattengarten gewesen waren.

Haus Metropol (2017 bis 2019)

Aufgrund der Bauarbeiten für die Kunsthaus-Erweiterung bezog die Zunft vorübergehend ein anderes Quartier: Vom Sechseläuten 2017 bis zum Martinimahl 2019 gastierte sie für die grossen Anlässe im Haus Metropol. Der Name sagt es: Das vom Architekten Heinrich Ernst entworfene Gebäude stand von Anfang an für das aufstrebende, selbstbewusste Zürich. Ernst war ein Schüler des grossen Gottfried Semper.

Konzipiert wurde das markante Gebäude an repräsentativer Lage zwischen Limmat und Bahnhofstrasse als reines Geschäftshaus – seinerzeit eine Première für die Stadt. Vollendet wurde es im Jahr 1895. State of the Art war die neuartige Skelettkonstruktion. Zwischen Pfeilern aus Stein hängen Glas- und Eisenelemente. Das ermöglichte ein serielles Zusammenfügen gleicher Fassadenteile, welche deshalb effizient vorfabriziert werden konnten. Stilistisch jedoch orientierte sich der Architekt, ganz Sohn des fin de siècle, an der Geschichte: Die Fassade ist prunkvoller Neobarock.

Drinnen beeindruckte einst das legendäre „Grand-Café Metropol“ seine Gäste in einem hohen Saal unter verzierten Oberlichtkuppeln mit zahlreichen Wandspiegeln und Wandgemälden. Ab 1932 diente dieser Raum als Cabaret, 1937 wurde er zur „Jägerhalle“, einem Ess- und Bierlokal umgebaut. Weiter gab es ein Kaffee-Restaurant im Neurokoko- und einen Billardsaal in maurischem Stil. Das Bierlokal an der Fraumünsterstrasse 14 kam ursprünglich als bayrische „Wurzhütte“ daher, bis es 1924 zum französischen Speiserestaurant „Fraumünsterkeller“ umgebaut wurde.

1944 wurde das Metropol von der Stadt Zürich gekauft. Nach einer kurzen Phase als Dancing beschloss die Stadt nach dem Krieg, die Gastrobetriebe aufzuheben, um hier die städtische Steuerverwaltung unterzubringen. Während Jahrzehnten blieb es dabei, bis im Jahr 2004 die Verwaltung wieder auszog, um ins Werd-Hochhaus umzusiedeln.

Das Metropol ging dann im Baurecht an die Bank Clariden Leu. Sie durfte das Haus für die Eigennutzung sanieren, mit der Auflage, das Erdgeschoss mit neuem Restaurant, Café und Saal der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 2007 konnte ein elegantes Restaurant mit 88 Sitzplätzen eröffnet werden, mit Café-Bar und Boulevard-Terrasse. Im Innenhof entstand an der Stelle des einstigen Grand Cafés ein neuer Veranstaltungssaal, der bis zu 300 Personen Platz bietet. Seit 2012 ist das Metropol im Besitz der Schweizerischen Nationalbank.